Programme
1 Klassischer Liederabend
2 "Eine heimliche Aufforderung"
3 Cosima Programm
4 Spanisches Programm
5 Chanson-Programm „Non, je ne regrette rien“
6 Kontemplatives Programm „Seelenwege“
2 — HEIMLICHE AUFFORDERUNG —
Wer sich mit der Erscheinungsform „Kunstlied“
auskennt, und sei er der hartgesottenste
Liebhaber der „mélodie française“, wird kaum
in Zweifel ziehen, dass in dieser Gattung gerade
der deutsche Sprachraum über die reichhaltigste
Literatur verfügt. Ein bedeutender
Teil hiervon wurde in den 50 Jahren vor dem
Ersten Weltkrieg geschrieben.
Die wichtigsten Vertreter der Gattung „Lied“
neben dem feinsinnigen Hugo Wolf, der heute
freilich nicht auf dem Programm steht, sind
Johannes Brahms und Gustav Mahler. Beide
knüpfen als Melodiker an bei Franz Schubert,
wobei Brahms dessen klassische Melodie in
langgedehnte Phrasen fortführt, begleitet von
einem vollen und oft vielschichtigen Klavierpart.
Bei Mahler steht Schuberts ländlicher
Ton für eine heile Welt der Jugend und der
Vergangenheit. Dieser kontrastiert allerdings
stark zur inneren Zerrissenheit des modernen
Menschen. In Wechselwirkung mit seinem sinfonischen
Schaffen steigert Mahler Umfang
und Ausdruck der Gesangsmelodie erheblich,
manchmal bis an die Schmerzgrenze.
Richard Strauss hingegen, der Vierte im Bund
der großen Liedkomponisten um die Wende
zum 20. Jahrhundert, erweitert Brahms‘ Ausdrucksspektrum
durch die Virtuosität der Gesangsstimme
– oft inspiriert vom ausdrucksvollen
Gesang seiner Frau Pauline de Ahna, die
viele seiner Lieder zum ersten Mal aufführte –
und in einer modernen harmonischen Sprache,
die um die Jahrhundertwende immer kühner
wurde (kulminierend in den expressionistischen
Musikdramen „Salome“ und „Elektra“).
Von Johannes Brahms hören Sie heute Abend
sieben Vertonungen von Gedichten zum Thema
„Junge Liebe“ von Autoren, die heute kaum
mehr zum Literaturkanon gerechnet werden.
Nur der Name Hoffmann von Fallersleben ist
bekannt geblieben – aber aus anderem Grund!
Immerhin verhalf Johannes Brahms dieser ansonsten
kaum noch rezipierten romantischen
Lyrik zur Zeitlosigkeit.
Mahler hat sich 15 Jahre lang mit der Volksliedsammlung
„Des Knaben Wunderhorn“ beschäftigt
und daraus gute zwei Dutzend Texte
vertont als Orchesterlied, als Klavierlied und
als sinfonische Sätze. Danach wandte er sich
Friedrich Rückert zu. Dieser sehr produktive
fränkische Dichter und Orientalist inspirierte
Mahler zu dem Zyklus „Kindertotenlieder“ und
zu fünf weiteren, eher positiv gestimmten Liedern.
Diese machen das zweite Viertel unseres
Programms aus. Hier herrscht eine Stimmung
von Besinnlichkeit und Abgeschiedenheit, ein
Ton der Reife. Nur in „Um Mitternacht“ kommt
ein innerer Kampf zum Ausdruck, der am Ende
seine Erlösung findet im Bekenntnis zur Zuversicht.
Richard Strauss‘ umfangreiches Liedschaffen
entstand in einem Zeitraum von über
75 Jahren, der Großteil davon aber vor seinem
40. Lebensjahr.
Mit einer „heimlichen Aufforderung“ laden wir
Sie ein zu einer Auswahl seiner Lieder über
Liebesbeziehungen in allen Stadien: erste Verliebtheit,
höchste Euphorie, Trauer über den
Verlust bis hin zu Zufriedenheit und Abgeklärtheit
eines erfüllten Lebens.
Heike Theresa Terjung M e z z o s o p r a n
Jan Roelof Wolthuis K l a v i e r
Text: Jan Roelof Wolthuis — Lektorat: Liselotte Homering
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